Agilität hat sich zu einem zentralen Begriff in der Entwicklung und Umsetzung moderner Geschäftsstrategien entwickelt, wobei ihr Einfluss weit über die Grenzen der Produktentwicklung hinausgeht. In einem Umfeld, das durch stetige Veränderungen und fortschreitende Digitalisierung gekennzeichnet ist, gewinnt die Anpassungsfähigkeit rechtlicher Rahmenbedingungen zunehmend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung von Verträgen, die in der Lage sein müssen, mit der Dynamik der Projekte Schritt zu halten.

Der vorliegende Beitrag widmet sich der Vorstellung und Diskussion des Konzepts agiler Verträge, welche durch die Prinzipien des Legal Designs nutzerorientiert gestaltet werden. Zugrunde wird dabei ein Webinar gelegt, welches sich ebenfalls mit dem Thema „Agile Verträge gestalten“ beschäftigt hat.

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie rechtliche Dokumente effektiv an die Anforderungen agiler Projektumgebungen angepasst werden können, um sowohl rechtliche Sicherheit als auch Flexibilität zu gewährleisten.

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse bei der gestaltung von agilen Verträgen?

1. Die Herausforderung klassischer Vertragsgestaltung

Die traditionelle Vertragsgestaltung steht häufig im Widerspruch zu den Anforderungen, die durch agile Projektmethoden entstehen. Agile Projekte, die sich durch ihre Flexibilität und Schnelligkeit auszeichnen, werden durch starre und komplexe Vertragsdokumente oft ausgebremst. Die Komplexität und Unverständlichkeit solcher Verträge führen regelmäßig zu Verzögerungen und Missverständnissen, insbesondere bei Projektbeteiligten ohne juristischen Hintergrund. Diese Herausforderung tritt besonders in Erscheinung bei Projekten in der Softwareentwicklung, wo die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Anforderungen und Rahmenbedingungen essentiell ist. Traditionell gestaltete Verträge können hier zu erheblichen Problemen führen, da sie weder die dynamische Natur solcher Projekte widerspiegeln noch eine effiziente Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien fördern.

2. Legals Design als Lösung

Legal Design integriert die Prinzipien des Design Thinkings in die Gestaltung juristischer Dokumente. Dieser innovative Ansatz ermöglicht es, Rechtsdokumente zu entwickeln, die nicht nur in ihrer Funktionalität effektiv sind, sondern auch eine hohe Benutzerfreundlichkeit aufweisen. Durch diese Methode wird eine Brücke zwischen rechtlicher Genauigkeit und Benutzerorientierung geschlagen, was die Zugänglichkeit und Anwendbarkeit von Rechtsdokumenten erheblich verbessert.

Im Zentrum des Legal Designs steht die unmissverständliche Ausrichtung auf die Perspektive des Endnutzers. Das primäre Ziel dieses Ansatzes ist die Schaffung von Verträgen, die universell verständlich sind – unabhängig von der juristischen Vorbildung der beteiligten Parteien. Indem es die Anforderungen und das Verständnis der Endnutzer in den Vordergrund stellt, gewährleistet Legal Design, dass Verträge nicht nur leichter zugänglich, sondern auch wirkungsvoller in ihrer praktischen Umsetzung sind.

Legal Design beruht auf der interdisziplinären Zusammenarbeit von Juristen, Designern und Endnutzern. Diese Kooperation ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die entwickelten rechtlichen Lösungen sowohl praktikabel als auch verständlich sind. Durch den Einbezug verschiedener Perspektiven und Fachkenntnisse wird ein umfassenderer und ganzheitlicher Ansatz in der Vertragsgestaltung erreicht, der die Komplexität juristischer Inhalte in klare und greifbare Konzepte überführt.

Ein wesentliches Merkmal von Legal Design ist die Anwendung von Prototyping und iterativen Prozessen. Durch die Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung von Prototypen wird gewährleistet, dass die endgültigen Vertragsdokumente genau auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer zugeschnitten sind. Dieser Prozess ermöglicht es, Feedback effektiv zu integrieren und die Vertragsdokumente schrittweise zu optimieren, um eine maximale Relevanz und Benutzerfreundlichkeit zu erreichen.

3. Entwicklung des agilen Vertrages

Ein agiler Vertrag sollte die Dynamik und Flexibilität von agilen Projekten widerspiegeln. Er muss anpassungsfähig sein und gleichzeitig klare Richtlinien und Verantwortlichkeiten festlegen. Aus diesem Grund wurde bei der Entwicklung einer solchen Lösung folgende Punkte beachtet:

Identifikation von Kernproblemen:Im Rahmen der Entwicklung des agilen Vertrages wurde zunächst eine umfassende Analyse der Hauptprobleme traditioneller Vertragsformen durchgeführt. Der Fokus lag dabei insbesondere auf der mangelnden Flexibilität und der eingeschränkten Verständlichkeit bestehender Vertragsstrukturen. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die anschließende Ausarbeitung des Vertragsentwurfs, indem sie zielgerichtet auf die Behebung dieser zentralen Schwachstellen ausgerichtet wurden.

Erstellung von Prototypen: Aufbauend auf der Identifikation der Kernprobleme traditioneller Verträge wurden erste Entwürfe oder Prototypen des agilen Vertrages erstellt. Diese Prototypen dienten als Grundmodelle, um die theoretischen Überlegungen in praktisch anwendbare Vertragsformen zu überführen und somit einen ersten konkreten Lösungsansatz für die identifizierten Probleme zu bieten.

Feedback-Einbindung: Ein wesentliches Element im Entwicklungsprozess des agilen Vertrages war die kontinuierliche Einbindung von Feedback. Dieses Feedback wurde insbesondere von Personen eingeholt, die in agilen Prozessen arbeiten und somit über praktische Erfahrung und Expertise in diesem Bereich verfügen. Durch diese Rückmeldungen konnte sichergestellt werden, dass der Vertrag nicht nur theoretischen Ansprüchen genügt, sondern auch in der Praxis anwendbar und effektiv ist.

Iteration und Anpassung: Der Entwicklungsprozess des agilen Vertrages beinhaltete iterative Überarbeitungen. Auf Basis des eingeholten Feedbacks und sich ändernder Anforderungen wurde der Vertrag wiederholt überarbeitet und angepasst. Dieser iterative Ansatz ermöglichte eine flexible Anpassung des Vertragsentwurfs an neue Erkenntnisse und Bedingungen, um so ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Praxistests: Um die Praktikabilität und Wirksamkeit des agilen Vertrages zu gewährleisten, wurden die entwickelten Prototypen in realen Projektsituationen getestet. Diese Praxistests dienten dazu, die Anwendbarkeit des Vertrages unter realen Bedingungen zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Anpassungen vorzunehmen. Durch diese Tests konnte die Funktionalität des Vertrages in der Praxis validiert und seine Effektivität in realen Projektumgebungen bestätigt werden.

4. Innovationen und Ergebnisse

Die Entwicklung eines nutzerorientierten Vertrags ist ein iterativer Prozess, der Feedback von Endnutzern erfordert, um sicherzustellen, dass der Vertrag deren Bedürfnissen entspricht.

  • Zweiteilige Vertragsstruktur: Der innovative Ansatz des agilen Vertrages manifestiert sich in einer zweiteiligen Struktur. Einerseits umfasst er einen prägnanten „One Pager“, der die wesentlichen Elemente des Vertrages knapp und übersichtlich zusammenfasst. Andererseits wird dieser durch ein umfassendes Dokument ergänzt, das detaillierte juristische Informationen und Regelungen enthält. Diese strukturierte Aufteilung ermöglicht es, eine ausgewogene Harmonie zwischen Benutzerfreundlichkeit und der notwendigen rechtlichen Vollständigkeit zu erzielen.
  • Visuelle Elemente: Zur Verbesserung der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit werden im Vertrag Grafiken und Infografiken eingesetzt. Diese visuellen Hilfsmittel tragen dazu bei, komplexe rechtliche Sachverhalte intuitiv erfassbar zu machen, was die Lesbarkeit und Zugänglichkeit des Vertrages wesentlich erhöht.
  • Benutzerzentrierte Sprache: Der Vertrag zeichnet sich durch die Verwendung einer klaren und einfachen Sprache aus, die darauf abzielt, juristische Inhalte auch für Nichtjuristen verständlich zu gestalten. Dieser benutzerzentrierte Ansatz fördert das Verständnis und die Zugänglichkeit des Vertragsinhalts über Fachgrenzen hinweg.
  • Agile Vertragsklauseln: Speziell für agile Projekte konzipierte Vertragsklauseln legen den Schwerpunkt auf Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Diese Klauseln sind so gestaltet, dass sie den agilen Arbeitsmethoden gerecht werden, ohne dabei die rechtliche Sicherheit und Verbindlichkeit zu beeinträchtigen.
  • Feedback-orientierte Entwicklung: Der Entwicklungsprozess des Vertrages wurde durch kontinuierliches Feedback von Nutzern und Experten aus der Praxis geprägt. Diese iterative Vorgehensweise ermöglichte es, den Vertrag praxisnah und bedarfsgerecht zu optimieren und anzupassen.
  • Modularer Aufbau: Der Vertrag zeichnet sich durch einen modularen Aufbau aus, der eine hohe Anpassungsfähigkeit an spezifische Projektanforderungen bietet. Einzelne Module können je nach Bedarf des Projektes angepasst oder ergänzt werden, ohne dass eine vollständige Neuaushandlung des Gesamtvertrages notwendig wird.
  • Risikomanagement: Obwohl der Fokus auf Nutzerorientierung und Benutzerfreundlichkeit liegt, wurde besonderes Augenmerk auf das Risikomanagement gelegt. Dies stellt sicher, dass trotz der Flexibilität und Zugänglichkeit des Vertrages die rechtliche Sicherheit und der Schutz vor potenziellen Risiken gewährleistet sind.

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Praktische Tipps und Tricks

  • Klare Strukturierung: Verträge sollten so strukturiert sein, dass die wichtigsten Informationen schnell erfasst werden können.
  • Verwendung einfacher Sprache: Vermeidung von juristischem Jargon zugunsten einer klaren und verständlichen Sprache.
  • Visualisierung: Einsatz von Diagrammen und Infografiken, um komplexe Informationen leichter verständlich zu machen.
  • Feedback-Schleifen: Regelmäßiges Einholen von Feedback von allen Stakeholdern, um sicherzustellen, dass der Vertrag deren Bedürfnissen entspricht.
  • Definition agiler Begriffe: Klare Definitionen agiler Methoden und Prozesse innerhalb des Vertrages, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Modularer Aufbau: Gestaltung des Vertrages in Modulen, um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten.
  • Berücksichtigung rechtlicher Risiken: Trotz der Benutzerfreundlichkeit dürfen rechtliche Aspekte und Risiken nicht vernachlässigt werden.
  • Interdisziplinäre Teams: Einbeziehung von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, um eine ganzheitliche Perspektive zu gewährleisten.
  • Schulung und Aufklärung: Sensibilisierung aller Beteiligten für die Bedeutung und den Umgang mit agilen Verträgen
Kristian Borkert

Kristian Borkert

Autor

Kristian Borkert ist Gründer der JURIBO Anwaltskanzlei und hat sich insbesondere auf den Bereich IT, Wirtschaftsrecht und Datenschutz spezialisiert.