Häufig stoßen Zusammenarbeitsmodelle mit externer Beteiligung insbesondere bei agilen Projekten oder digitaler Transformation auf massive rechtliche Bedenken im Hinblick auf Scheinselbständigkeit oder rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen auf externe Experten angewiesen. Diese wollen aber häufig Freelancer bleiben und möchten sich nicht anstellen lassen.
Wie können Unternehmen diesen Spagat hinbekommen und erfolgreich Projekte umsetzen? Tief sitzt die Angst durch ein Projekt mit dem Lieferanten rechtswidrig einen Scheinwerkvertrag umzusetzen, gegen Compliance-Regeln zu verstoßen und z.B. eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung zu provozieren. Tief sitzt auch die Unwissenheit bei diesem komplexen Thema.
Wo könnten für mich bei der Scheinselbständigkeit oder rechtswidriger ANÜ Probleme auftreten?
Bei direkten Vertragsverhältnissen mit Selbständigen:
Scheinselbstständige Arbeitnehmer sind Personen, die als Selbstständige auftreten, tatsächlich aber sozialversicherungsrechtlich abhängige Beschäftigte sind. Nach § 1 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung „die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Maßgeblich ist also das Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Auftraggeber und Scheinselbstständigen bzw. Arbeitgeber und Beschäftigten.
Die Prüfung der Scheinselbständigkeit ist vor allem sozialversicherungsrechtlich geprägt. Für Scheinselbstständige hätten sowohl Sozialversicherungsbeiträge als auch Lohnsteuer abgeführt werden müssen. Daher wird eine solche Scheinselbständigkeit strafrechtliche wie Schwarzarbeit behandelt. Es drohen dem Arbeitgeber des Scheinselbständigen eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren. Weiter führt dies für den Auftraggeber zu einem Ausschluss bei der Vergabe von öffentlichen Ausschreibungen.
Bei Dienst- oder Werkverträgen im Dreiecksverhältnis:
Arbeitnehmerüberlassung bedeutet, dass derjenige, der die Arbeitsleistung erbringt, Weisungen vom Kunden (Entleiher) erhält oder in dessen Organisation integriert ist.
Der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) wir vor allem durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geprägt. Es beschreibt ein Zeitarbeitsverhältnis. Dabei wird der Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens beim Kunden wie sein eigener Arbeitnehmer tätig. Maßgeblich ist also das Drei-Personen-Verhältnis zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und dessen Arbeitnehmer.
Arbeitsrechtlich ist seit dem 01.04.2017 in § 611a Abs. 1 BGB gesetzlich der Arbeitsvertrag definiert:
Das bedeutet vereinfacht, jeden Morgen fragt der Zeitarbeiter „Chef was soll ich heute tun?“ Wird die Arbeitnehmerüberlassung verkannt und eine Zulassung nach AÜG liegt nicht vor, dann wird rechtswidrig gehandelt. Es wird dann auch von einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung gesprochen.
Kein Problem. Das Statusfeststellungsverfahren hilft schon, oder doch nicht?
Um zu rechtlicher Klarheit über die Art der nachgegangenen Tätigkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verhelfen, kann eine Anfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) gestellt werden. Das dadurch eingeleitete Statusfeststellungsverfahren soll die Parteien vor den Risiken einer falschen Einschätzung schützen.
Das Statusfeststellungsverfahren wurde zum 01.04.2022 reformiert. Dadurch soll die Feststellung, ob jemand als sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigter tätig ist, früher, einfacher und schneller als bisher durchgeführt werden können. Aus diesem Grund erhielt das Verfahren einige prozessuale Änderungen. Durch die Änderungen sollen unter anderem Prognoseentscheidungen und Gruppenfeststellungen ermöglicht werden. Auch wurde die Bindungswirkung für Dreiecksverhältnisse erweitert.
Inhaltlich hat sich leider nichts geändert. Der Gesetzgeber hat erneut darauf verzichtet, Klarheit in dieses Thema zu bringen. Die Kriterien für die Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit bleiben gleich. Damit ist Begriffsbestimmung weiterhin unscharf und bleibt eine Herausforderung für die tägliche Praxis. Besonders schwierig ist die Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umsetzung als maßgebliches Kriterium für die Qualifikation als Arbeitnehmer. Jeder Einzelfall muss nach wie vor geprüft werden. Nach wie vor stehen die Unternehmen vor der Herausforderung den Spagat zwischen der Beschaffung von wichtigen Projektressourcen und Compliance hinsichtlich Scheinselbstständigkeit bzw. rechtswidriger Arbeitnehmerüberlassung selbst zu gewährleisten.
Wie kann ich also mein Projekt erfolgreich umsetzen und Compliance beachten?
Die freie Wirtschaft hat erkannt, wie schwierig es ist, mit dem Thema Scheinselbständigkeit oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung umzugehen. Vielfach arbeitet die Praxis mit einfachen Checklisten. Diese geben aber zumeist weder differenzierte Einschätzung noch Ansatzpunkte zur Gestaltung der Geschäftsbeziehung. Daher haben wir in Kooperation mit Leobalo eine Legal Tech Lösungen entwickelt. Mit dem auf dem Tool „Leobalo Expert Compliance Check“ können Sie eine umfassende Selbstanalyse von Scheinselbständigkeit und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung durchführen. Es liefert Feedback und Tipps zu möglichen Schwachstellen, ist leicht verständlich, juristisch geprüft und vor allem gewährleistet es Anonymität und sichere Datenverarbeitung. Damit bietet der Leobalo Expert Compliance Check genau die richtige Unterstützung in Ihre Praxis.
Der Leobalo Expert Compliance Check bringt Ihnen die Erkenntnis, ob etwas schiefläuft und was Sie verbessern müssen. Die Erkenntnis ist aber nur der erste Schritt. Geschäftsführer, Betriebsleiter und auch Einkäufer sind gut beraten, die Themen Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbstständigkeit in das eigene Compliance Management System zu integrieren bzw. auf bestehende Compliance Systeme für Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbstständigkeit ergänzend zurückzugreifen.
Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zum Thema Compliance bei externen Experten haben oder Interesse an der Implementierung oder Nutzung an dem von uns entwickelten Compliance Framework für externe Experten haben. Wir unterstützen Sie gerne!
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Kristian Borkert
Co-Autor
Kristian Borkert ist Gründer der JURIBO Anwaltskanzlei und hat sich insbesondere auf den Bereich IT, Wirtschaftsrecht und Datenschutz spezialisiert.
Anastasia Nomerowskaja
Co-Autorin
Anastasia Nomerowskaja ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Social Media Managerin der JURIBO Anwaltskanzlei mit einem Bachelorabschluss in Deutschem und Europäischen Wirtschaftsrecht.